Konzerteinführung März 2011

Konzerteinführung zum Anrechtskonzert März 2011

Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie Nr. 39 Es-Dur KV 543

Die letzten drei Sinfonien Mozarts entstanden im Sommer 1788 innerhalb von wenigen Wochen. Sie stellen Mozarts Resümee der Gattung dar, und es ist interessant, weil dieses Resümee in gewisser Hinsicht ein dreifaches ist. Jedes Werk (KV 543, KV 550, KV 545 „Jupitersinfonie“) trägt einen sehr individuellen Charakter. Die Es-Dur-Sinfonie ist heiter und festlich, die in g-Moll ist „die Tragische“ und strahlend die Jupitersinfonie. Die Es-Dur-Sinfonie vereint sehr unterschiedliche musikalische Elemente. Der erste Satz beginnt mit einer langsamen, punktierten Einleitung, die an die barocken französischen Ouvertüren erinnert, der zweite Satz ist eine zart empfundene und fein gearbeitete Kammermusik, das in seiner Intensität schon an die Romantik heranreicht. Im Menuett lässt Mozart eine fast derbe Musik auf eine zauberhafte und ein wenig idyllische Bläsermusik treffen bis im Finale ein wirbelnder Kehraus in vollendet-klassischer Weise erklingt, wirbelnd und virtuos. Damit ist gerade diese von drei letzten Sinfonien eine Art Zusammenschau der Gattungserfahrungen und mit ihrer reichen Bläserbesetzung auch schon Ausblick.

Franz Schubert: Die Winterreise, Liederzyklus op. 89, 12 Gesänge instrumentiert von August von Othegraven

Schuberts Liederzyklus die „Winterreise“ gilt als unangefochtener Höhepunkt des deutschen Kunstliedes, eine Gattung, die sogar in französischer Sprache als „le lied“ bezeichnet wird. Die „Winterreise“ gehört zu den Kunstwerken, die für jeden Sänger intensivste Auseinandersetzung verlangt, die mitunter über ein ganzes Sängerleben nie abgeschlossen ist.
Von dem Bericht Joseph von Spauns wissen wir, dass sich Schubert seit dem Winter 1826/27 zuerst mit dem ersten Teil von Wilhelm Müllers „Wanderliedern“ beschäftigte, die 1822 im Urania-Taschenbuch erschienen waren, einer Literaturzeitschrift, die im Zensursystem der Metternichschen Restaurationszeit auf dem Index stand, und die Ausgabe war verboten eben wegen Müllers Texten. Der Dessauer Wilhelm Müller war ein Meister der verdeckten literarischen Botschaften, die sich dann natürlich auch im zweiten Teil der Wandererlieder, die mit den ersten 12 Gedichten als Band zwei der „Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten“ 1824 erschienen, zu finden sind und weshalb ihn besonders Heine sehr schätzte. Diese Zeichen- und Symbolsprache wurde zumindest in den Literatenzirkeln und unter den Oppositionellen verstanden, und man muss den Schubertschen Freundeskreis dazu zählen, auch wenn Schubert sicher kein politischer Kopf im engeren Sinne gewesen ist. Aber dass der Winter eine Metapher für die Restauration ist, im Gegensatz zum Mai (der Befreiungskriege), der „mir gewogen“ war, oder dass die Krähen „Bäll’ und Schloßen auf meinen Hut von jedem Haus“ werfen, zeigt deutlich, wie sehr die politische Situation das Leben überschattete.
Man ginge sicher fehl, die „Winterreise“ ausschließlich als Lieder eines liebeskranken und lebensmüden Romantikers zu fassen. So hat sie Schubert nicht komponiert und so hätten sie nicht seit fast 200 Jahren immer aufs Neue Künstler und Publikum zu fesseln vermocht.
Auffällig etwa ist das Wanderermotiv, das von den pochenden Achteln des 1. Liedes ausgehend immer variiert wird. Es taucht als Getriebensein auf (Nr. 8. „Rückblick“), als müdes Dahinschleppen (Nr. 12 „Einsamkeit“, Nr. 20 „Der Wegweiser“) bis hin zu der eingefrorenen Bordunquinte A – e im „Leiermann“, mit der jede Bewegung aufzuhören scheint.
Auffällig auch die Harmonik, in der die harte Realität stets in Moll-Tonarten erscheint, und einer Dur-Traumwelt entgegengesetzt ist, eine Dualität, die sich bis auf einzelne Worte und Töne verfolgen lässt.
„Einen Zyklus schauerlicher Lieder“ hatte Schubert seinen Freunden versprochen, und alle 24 Lieder selbst vorgesungen, berichtet Spaun. „Mir gefallen diese Lieder mehr als alle anderen, und sie werden euch auch noch gefallen“, sagte Schubert nach der ersten Irritation, mit der die Freunde reagierten. Er sollte Recht behalten. Schuberts Liederkreis beschäftigte und beschäftigt Generationen von Sängern und Musikern. Allein die Liste der fast 400 Platteneinspielungen liest sich wie das Verzeichnung der Sängerelite aller Stimmlagen von Bass bis Sopran. Aber es gibt auch eine große Reihe verschiedener Orchestrierungen und Fassungen für verschiedene Instrumente, so etwa von Brahms, von Liszt (Klavierfassung), Reger, Anton Webern; in neuerer Zeit Hiroyuki Iwaki (für Hermann Prey) oder Hans Zender…
August von Othegraven (1864 – 1946) hat ebenfalls eine Orchestrierung vorgelegt. Er ist vor allem als Komponist und Arrangeur von Chorliedern, besonders für Männerchor bekannt, u.a. für das Lied vom „Jäger aus Kurpfalz“. Seine Opern, Oratorien und Kantaten, stilistisch etwa zwischen Johannes Brahms uns Richard Strauß zu verorten, sind weitgehend vergessen. Sein besonderes Interesse lag stets in der Wahrung und Rettung des deutschen Volksliedes.
Aus Schuberts Winterreise wählte er zwölf Lieder für seine Orchesterbearbeitung aus. Es sind die Lieder, welche nach seiner Meinung der Romantischen Bilderwelt und dem Volksliedton am nächsten kommen:
Gute Nacht (Nr. 1)
Die Wetterfahne (Nr. 2)
Der Lindenbaum (Nr. 5)
Rückblick (Nr. 8)
Frühlingstraum (Nr. 11)
Einsamkeit (Nr. 12)
Die Post (Nr. 13)
Die Krähe op. 89 (Nr. 15)
Der stürmische Morgen (Nr. 18)
Das Wirtshaus (Nr. 21)
Mut (Nr. 22)
Der Leiermann op. 16,13 (Nr. 24).

Liane Bornholdt

Quellen: Harenberg. Konzertführer, Thomas Voigt. Sich auf Seelenzustände einlassen. DVD-Cover. 2005, Dieter Förster. Die Winterreise. CD-Cover 1989, Achim Goeres. Was will ich unter den Schläfern säumen… Gedanken zu Schuberts Winterreise. www.goeres.de, MGG.