Konzerteinführung Dez. 2010

Konzerteinführung zum 3. Anrechtskonzert 3. Dezember 2010

Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 82 C-Dur „Der Bär“

1785 erreichte Haydn auf Eszterházy aus Paris die Bestellung von sechs Sinfonien für die Konzerte der Freimaurerloge „Olympique“. Die Konzerte des Orchesters „Le Concert de la Loge Olympique“ waren in dieser Zeit Ereignisse von europäischem Rang, war dieses Orchester doch mit 70 bis 80 Musikern das weitaus größte mit 40 Violonisten und 10 Kontrabässen. Außerdem war es am Vorabend der Französischen Revolution eines der äußerst raren Klangkörper, die außerhalb der höfischen Gesellschaften überhaupt spielte. Die Konzerte waren in Paris damals das, was wir heute als Kult bezeichnen. Die Musiker spielten in himmelblauen Fracks mit eleganten Spitzentressen, den Degen an der Seite, und ihr Leiter Joseph Boulogne Chevalier de Saint-George war auch eine Kultfigur, berühmt als Violinist, aber auch als Degenfechter und Reiter in der Garde Ludwig des XVI. und als Frauenheld. Außerdem war er Exot. Er stammte aus der Karibik.
Für Haydn war also der Auftrag des Chevalier de Saint-George durchaus eine Ehre, aber ebenso eine Gelegenheit, einmal richtig aus dem Vollen zu schöpfen. Die Sinfonie Nr. 82 ist die erste und kraftvollste der sechs Pariser Sinfonien. Sie ist nach klassischer Manier viersätzig, enthält aber keinen langsamen Satz. Statt des beschaulichen Andantes komponierte Haydn ein flinkes Allegretto, und beim Menuett erweist es dem Pariser Geschmack alle Referenz. Es ist ein Variationensatz, der imperialen Glanz genauso enthält wie ironisches Augenzwinkern.
Den Beinamen „Der Bär“ bekam die Sinfonie auf Grund des tapsig-schaukelnden Dudelsack-Basses im Finalsatz. Haydn soll einen Tanzbären auf der Straße beobachtet haben, aber das ist nicht verbürgt. Er hat diesen Beinamen jedenfalls nicht autorisiert.

Jean Francaix: Concertino für Klavier und Orchester und Konzert für Klavier und Orchester

Es waren nun auch wieder die Eigenheiten des französischen Stils, dieselben, welche schon im Barock und der Klassik bezauberten, mit denen bereits der jugendliche Jean Francaix Aufmerksamkeit erregte und frühen kompositorischen Erfolg hatte. Francaix stammte aus einer Musikerfamilie in Le Mans. Bereits über den 10jährigen Knaben schrieb seine Mutter, eine Gesangslehrerin, an Nadia Boulanger: „Wir wollen ihn studieren lassen, denn sonst fürchten wir, etwas an seiner Ausbildung zu versäumen.“
Ein Jahr später erhielt Maurice Ravel ein Manuskript des Knaben, und er schrieb nach der Durchsicht: „Unter den Gaben, die dieses Kind erhalten hat, bemerke ich die für einen Künstler fruchtbarste, die der Neugier.“
Mit 18 Jahren wurde Jean Francaix Schüler der Boulanger. In der Studienzeit 1932 entsteht das Concertino für Klavier und Orchester. Seinen Durchbruch als Komponist erlebt Francaix mit diesem Werk, aber erst sechs Jahre später, als es während des renommierten Kammermusikfestivals in Baden Baden aufgeführt wurde. „Es war ein außergewöhnlicher Triumph auf solch einem Spezialistentreffen“, schrieb der Musikwissenschaftler Heinrich Strobel, „nach so viel Musik mit problematischer oder auch gar keiner Authentizität war dieses Concertino wie ein frisches Wasser, das aus einer Quelle wunderbarer Spontaneität fließt und gleichzeitig die Schöpfung eines intelligenten Künstlers von Klarheit und Bewusstheit ist, wie sie heute selten sind.“
Francaix hat typisch französisch komponiert, charmant, geistvoll und immer gewürzt mit einer leisen Ironie, intelligent, literarisch inspiriert und humorvoll. Er bekannte sich dazu, dass die Musik in erster Linie Freude bereiten soll. Man warf ihm mitunter vor, dass er „zu leicht“ sei und nicht zur zeitgenössischen Musik gehöre. Seine Antwort aber in den 90er Jahren: „Sie ist nichts als zeitgenössische Musik, denn ich bin noch nicht tot!“

Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie Nr. 31 D-Dur KV 297 „Pariser“

Auch der junge Mozart kannte sich mit den Vorlieben des Pariser Publikums sehr gut aus. Als er 1778 von Vater Leopold auf große Bewerbungstour nach Mannheim und Frankreich geschickt wurde, komponiert er eine Sinfonie nach französischem Geschmack. Sie beginnt mit dem „premier coup d’archet“ – dem rauschenden Unisono-Forte-Einsatz des Orchesters. Mit Pomp und neuen Klangfarben – erstmals setzt Mozart hier die Klarinette im Orchester ein, außerdem Pauken, Trompeten, Flöten, Oboen, Fagotte und Hörner – will er die Pariser um den Finger wickeln. Prunkvoll ist diese Musik, aber auch komödiantisch, voller Überraschungen und Kontraste.
Die Farbenpracht und Größe werden sofort parodiert und erfahren vielfache Wendungen ins Unterhaltsame und Vergnügliche. Vater Leopold argwöhnt sogar, Wolfgang habe mal wieder weniger an das Publikum als an sein eigenes Vergnügen beim Komponieren gedacht. Aber hier irrte der Vater. Mozart hat den Massengeschmack genau getroffen und hatte viel Erfolg, als das Werk im Juni 1778 im Rahmen der Concerts spirituels, der ersten öffentlichen Konzertreihe in Paris aufgeführt wurde. Die Pariser liebten es laut und effektvoll, und im Konzert wurde jede musikalische Pointe mit Szenenbeifall bedacht.

Liane Bornholdt

Quellen: Harenberg Konzertführer, MGG, www.swr.de, www.jeanfrancaix.org