Klänge im Raum 2011

... vom 3. Mai 2011

Eröffnungskonzert „Klänge im Raum“ – Konzerteinführung

Georg Friedrich Händel: Konzert für Cembalo und Orchester F-Dur 0p. 4/4 HWV 292


Die Instrumentalmusik Händels entstand größtenteils als „Nebenprodukt“ zu seinen Oratorien und Opern (Sinfonia, Zwischenaktmusiken) oder als Unterhaltungsmusik zu speziellen Anlässen (Wassermusik). Das bedeutendste Genre sind zweifellos die Concerti grossi, in denen Händel die italienische Tradition mit den neuesten sinfonischen Entwicklungen des 18. Jahrhunderts verknüpfte. Doch hat Händel ein ganz neues Instrumentalgenre entwickelt, die Orgelkonzerte, zu denen auch die sechs Konzerte op. 4 HWV 292 gehören. Sie entstanden, um die großen Pausen während der Oratorienaufführungen zu füllen, die Händel nach 1732 und im Rahmen des Niedergangs der opera seria und der englischsprachigen Opernkonkurrenz in London auf das ganze Jahr ausweitete und so seine Operncompagnie rettete. Sie entstanden 1735/36. Neben den Cembalokonzerten von Johann Sebastian Bach markieren diese Orgelkonzerte den Beginn aller Konzerte, in denen der Solopart von einem Tasteninstrument gespielt wird. Sie sind also die Vorläufer aller späteren Klavierkonzerte. Zunächst spielte Händel die Concerti op. 4 selbst auf der Orgel und ließ für die Oratorienaufführungen in der Oper eigens Theaterorgeln bauen. Die Orgelkonzerte waren als Ersatz für die großen Opernarien gedacht und so sind sie auch alle nahe an der menschlichen Gesangsstimme komponiert. Händel wollte dem berühmten Kastraten Farinelli, der bei der Konkurrenz sang, als Solist gegenübertreten, und wirklich wirkungsmächtig konnte hier nur die Orgel sein. Als die Konzerte 1738 veröffentlicht wurden, waren jedoch bereits Cembalo oder auch Harfe als mögliche Soloinstrumente angegeben mit Orchester- oder Streichquartettsatz. Über fast 30 Jahre waren die Händelschen Orgelkonzerte die nahezu einzige Fundgrube für Pianisten. Sie wurden in Privatkonzerten und mit Streichquartett bei Kammermusiken gespielt, und sie trugen nicht unwesentlich dazu bei, dass sich die Tasteninstrumente aus ihrer Begleitfunktion im Basso continuo allmählich zum Soloinstrument emanzipierten, was wiederum die Entwicklung des Klavierbaus beförderte. Kein Wunder also, dass die Händelschen Orgelkonzerte vor allem als Cembalokonzerte eine fast euphorische Aufnahme fanden. Bis 1770 wurden sie 13mal neu aufgelegt bis um 1800 die Sonaten Haydns und Clementis das Repertoire erweiterten und ebenso populär wurden.

Robert Schumann: Ouvertüre, Scherzo und Finale E-Dur op. 52

Die Ouvertüre von Opus 52 skizzierte Schumann bereits im Frühjahr 1841. Ermutigt durch den Erfolg seiner 1. Sinfonie wollte er zunächst ein größeres Werk schaffen, konzipierte die Ouvertüre aber dann so, dass man sie, wie er an den Hofmeister Verlag schrieb, auch als eigenständiges Werk spielen könne. Nach der Orchestrierung skizzierte er aber auch das Scherzo und erst später das Finale, welches erst 1845 nach mehreren Revisionen seine endgültige Gestalt erhält. Noch immer war der Komponist unentschlossen über die endgültige Form des Werkes, so dass die Versuche, dem Opus einen Titel zu geben scheiterten. Eine Suite, eine Sinfonietta oder auch eine große Sinfonie hatte Schumann ins Auge gefasst, verwarf den Plan aber gleich wieder. Die drei Sätze enthalten zwar Querverweise, keimhaft enthält das Präludium der Ouvertüre das Material, welches in den folgenden Sätzen verarbeitet wird, aber an Gewicht und Tiefe sind diese mit der vorangegangenen B-Dur-Sonfonie op. 38 nicht zu vergleichen. Und Schumann blieb bei dem Plan, alle Sätze auch einzeln aufführen zu können. Die Ouvertüre entspricht am ehesten einem Suitensatz, erhebt sich aber durch die meisterliche Orchestrierung darüber. Auch das guigenartige Scherzo lässt an eine, schließlich aber doch unvollständige Suite denken, aber auch dieser Satz hat mit seinem leichten Charme und Farbenreichtum eine ganz eigentümliche Wirkung, die als Miniatur auch für sich stehen könnte. Das Finale widerspiegelt die zeittypische Begeisterung für Fugenkompositionen, welche durch Cherubinis Kontrapunkt-Lehrbuch ausgelöst worden war, das auch Robert Schumann gemeinsam mit seiner Frau Clara studiert hatte.
In der alten Schumann-Gesamtausgabe wurde op. 52 zu den Suiten gestellt, ein Kompromiss angesichts von nur drei Sätzen. In der neuen Gesamtausgabe wird das Werk dann doch den Sinfonien beigestellt, allerdings als eigenständige Gattung. Schumann hat es nicht in die Reihe der Sinfonien, die er um 1850 erstellt hat, eingereiht.

Beethoven: Meeresstille und Glückliche Fahrt, op. 112

Die Kantate „Meeresstille und glückliche Fahrt“ komponierte Beethoven auf zwei sich ergänzende Gedichte von Goethe. Sie entstand 1815 und wurde im Dezember desselben Jahres uraufgeführt. Beethoven hat Goethe sehr verehrt und ihm seine Komposition zugesandt und mehrfach geschrieben, um Kenntnisnahme und Urteil gebeten, vom Dichter allerdings nie eine Antwort bekommen. Ähnlich erging es auch Franz Schubert, dessen zahlreiche Goethe-Vertonungen, von dem Dichterfürsten keines Kommentares gewürdigt wurden.
Beethovens Kantate ist zwar nur ein kleines Werk, aber eine meisterhafte Studie der musikalischen Kontraste. Der ruhige Beginn zaubert ein Seestück von Erhabenheit und Todesnähe. Die ersten Regungen des Wandels sind in der Tiefe des Orchesters zu hören, ein Aufatmen, als würde Äolus aus dem Schlaf erwachen bis sich die Luft beschleunigt und nun Chor und Orchester erst zarte Hoffnungsfunken, dann Freude und Rettung ausdrücken. Eine Naturstudie und eine psychologische Studie in dichtester Form.
Goethes Gedichte haben auch andere Komponisten angeregt. Am bekanntesten ist Mendelssohns Ouvertüre, aber auch Friedrich Reichard, Arthur Rubinstein; Hanns Eisler u.a. haben diese Goethe-Gedichte vertont.

Meeresstille

Tiefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung ruht das Meer,
Und bekümmert sieht der Schiffer
Glatte Fläche rings umher.
Keine Luft von keiner Seite!
Todesstille fürchterlich!
In der ungeheuren Weite
Reget keine Welle sich.

Glückliche Fahrt

Die Nebel zerreißen,
Der Himmel ist helle,
Und Aeolus löset
Das ängstliche Band.
Es säuseln die Winde,
Es rührt sich der Schiffer.
Geschwinde! Geschwinde!
Es teilt sich die Welle,
Es naht sich die Ferne,
Schon seh' ich das Land!

Ludwig van Beethoven: Chorfantasie c-Moll op. 80

Beethovens Chorfantasie entspricht keiner der üblichen Gattungsbezeichnungen. Am ehesten ähnelt sie einem Klavierkonzert, aber der Chor ist so wesentlich, dass sie auch als Kantate bezeichnet werden könnte. Sie entstand zwischen der 5. Sinfonie, dem 4. Klavierkonzert und der 6. Sinfonie 1808. Der Beginn des Werkes stellt das solistisch phantasierende Klavier in den Mittelpunkt. Es ist und bleibt das entscheidende Soloinstrument. Die Melodie, die das Klavier im Wechselspiel mit den Holzbläsern „befreit“, hatte Beethoven schon in einem Klavierlied „Seufzer eines Ungeliebten“ 1795 verwendet.
Die Art, wie Beethoven hier den Chor einsetzt kann als Vorstudie betrachtet werden, zum großen Chorfinale der Neunten. Er setzt nach Klavierarpeggien ein, variiert im Wechsel zwischen Frauen- und Männerstimmen und steigert sich zum freudigen Hymnus.
Beethoven vertonte einen rührend-harmlosen Text von Christoph Kuffner. Poetisch höherwertig ist Johannes R. Bechers „Seid gegrüßt, lasst euch umfangen“, eine Bearbeitung, die er für Beethovens Kantate gedichtet hat.

Originalfassung
Schmeichelnd hold und lieblich klingen
unsers Lebens Harmonien,
und dem Schönheitssinn entschwingen
Blumen sich, die ewig blüh'n.

Fried und Freude gleiten freundlich
wie der Wellen Wechselspiel;
was sich drängte rauh und feindlich,
ordnet sich zu Hochgefühl.

Wenn der Töne Zauber walten
und des Wortes Weihe spricht,
muss sich Herrliches gestalten,
Nacht und Stürme werden Licht,

äuß're Ruhe, inn're Wonne,
herrschen für den Glücklichen
Doch der Künste Frühlingssonne
lässt aus beiden Licht entsteh'n.

Großes, das ins Herz gedrungen,
blüht dann neu und schön empor,
hat ein Geist sich aufgeschwungen,
hallt ihm stets ein Geisterchor.

Nehmt denn hin, ihr schönen Seelen,
froh die Gaben schöner Kunst.
Wenn sich Lieb und Kraft vermählen,
lohnt dem Menschen Göttergunst.

Neubearbeitung Johannes R. Bechers
Seid gegrüßt, lasst euch empfangen
von des Friedens Melodien!
Unser Herz ist noch voll Bangen
Wolken dicht am Himmel zieh'n.

Aber seine Lieder tönen,
und der Jugend Tanz und Spiel;
zeugt vom Wahren und vom Schönen,
ordnet sich zu hohem Ziel.

Wo sich Völker frei entfalten
und des Friedens Stimme spricht,
muss sich Herrliches gestalten,
Nacht und Träume werden Licht,

Leben wird zu Lust und Wonne,
wird zu aller Wohlergehn
und der Künste Frühlingssonne
lässt die Welt uns neu erstehn.

Großes, das uns je gelungen,
blüht im neuen Glanz empor,
„Friede, Friede ist errungen“,
jubelt Laut der Menschheit Chor.

Nehmt denn hin, ihr lieben Freunde,
froh die Gaben schöner Kunst.
Wenn sich Geist und Kraft vereinen,
winkt uns ewgen Friedens Gunst.

Liane Bornholdt

Quellen: Harenberg. Konzertführer, Siegbert Rampe. Händels Theaterorgeln auf www.gdo.de, Sonja Gerlach/Matthias Wendt auf ww.schumann-ga.de, Reclams Chormusik- und Oratorienführer