Puppentheater

„König Richard III.“ im Puppentheater Magdeburg
Die ewigen Mechanismen der Macht


„Richard III.“ ist das bekannteste von Shakespeares Königsdramen und das letzte der York-Trilogie. Er schrieb es um 1593, und er fasst darin das Geschehen um die Beendigung der Rosenkriege zwischen 1460 und 1471 zusammen. Am Magdeburger Puppentheater hatte das Drama unter Regie von Moritz Sostmann und der Dramaturgie von Tim Sandweg mit acht Schau- und Puppenspielern am Freitag Premiere.

Von Liane Bornholdt

Magdeburg.
Den berühmten Eingangsmonolog Richards, in dem der Herzog von Gloucester ankündigt, ein Bösewicht zu werden, spricht Nis Sogaard. Zu dem Zeitpunkt hat Richard bereits zwei Mordtaten hinter sich, deren Spuren sich durch den blutig geschminkten Mund im weiß grundierten Gesicht zeigen. Bald aber erweist sich, dass er sich keineswegs von all den anderen unterscheidet, denn alle Mitspieler kommen in der gleichen Maske auf die Bühne. Keine der von ihnen von ihnen geführten Figuren ging und geht den Weg der Macht, ohne sich mit Blut zu besudeln. Es sind die ewigen Mechanismen der Macht, die Shakespeare gut 100 Jahre nach der realen Historie aufzeigt. Und weil diese bis heute fortwirken, ist es folgerichtig, das Stück unter heutigen Menschen zu spielen. Diese sind ganz konkrete Menschenbilder, denen Puppenbauer Atif Hussein porträtähnliche Gesichter bekannter Personen gegeben hat, und zwar z. T. so lebensecht, dass die Zuschauer unter deren Blicken erschauern. Die umfangreiche Personage des Shakespeare-Stückes wird durch gut ein Meter große Puppen verkörpert, die aber stets mit den offen spielenden Schau- und Puppenspielern, Claudia Luise Bose, Franziska Dittrich, Gerhild Reinhold, Frank A. Engel, Michael Hatzius, Pascal Martolini, Nis Sogaard und Jonathan Strotbeck, eine Einheit bilden. Sie sind gleichermaßen Bild wie Handelnde, gleichermaßen Symbolfiguren wie Actionhelden, und sie gewinnen durch Spiel- und Sprechkunst eine geradezu unheimliche Lebendigkeit. Da ist natürlich zuerst Richard, modelliert als Porträt des Hollywood-Bösewichtes Robert de Nero und geführt von Nis Sogaard. Auf seinem Weg zur Königskrone räumt er jeden möglichen Konkurrenten aus dem Weg, zuerst seinen Bruder George von Clarence, ein unbedarfter Schönling à la Backham. Er wird im Tower im Weinpokal ersaufen, danach die beiden Neffen und Söhne des amtierenden Königs Edward IV., Teenies, deren einziges Vergehen ihr Platz in der Thronfolge ist, hoffnungslos, auch wenn Prinz Edward an den jungen Prinz Charles erinnert. Der alte König stirbt an Herzanfall nach Völlerei und mehr und erinnert an einen bekannten italienischen Staatschef und Medientycoon. Die Medienwelt ist im ganzen Drama allgegenwärtig, und so ist es auch sehr realistisch, dass Richard, nachdem alle vorher besetzten Plätze geräumt sind, in einer Fernsehtalkshow zum König gekrönt wird.
Hier glänzt er natürlich durch seine Beredsamkeit, auch wenn – woher kennen wir das bloß? – hier alle vor der Kulisse der nächtlichen Londoner Skyline wilde Streitigkeiten vorführen, so dass die gegenseitigen Argumente so wie so nicht mehr zu verstehen sind. Alle inszenieren immer sich selbst. Und zu diesen gehört auch der Herzog von Buckingham in der Maske von Daniel Cohn-Bendit, der einzige „Getreue“ an Richards Seite, der ihm das Wasser trägt und ihn als Talkmaster zum König macht. Seine Treue aber ist auch nur Machtinstinkt, und natürlich weiß Richard dies, und räumt ihn schließlich ebenfalls beiseite. Todesfall folgt auf Rücktritt, Krankheit auf Todesfall. Dass sich in Shakespeares Text so manches Extempore mischt, passt zur Inszenierung und unterstreicht anschaulich, dass dieses Drama von allerhöchster Aktualität ist. Es wird nach Kräften beredet – ein großer runder Konferenztisch ist der Hauptspielort (Bühne: Christian Beck) -- während hinter den Kulissen Grausames geschieht. Alles Geschehen ist Berechnung, das Sichtbare Fassade.
Dass am Ende Richard sein Königreich für ein Pferd bietet, ist zwar das bekannteste Zitat des Stückes, aber hier bleibt es Anspielung. Richard stirbt völlig einsam auf dem Machtgipfel inmitten der Leichen seiner Opfer zeitgemäß am Schuss aus der eigenen Waffe.
All dies geschieht sehr konzentriert, aber der Inszenierung ist es bei allen Strichen gelungen, die wesentlichen Handlungsstränge plastisch herauszustellen und den Figuren ihre z. T. skurrilen Eigenheiten zu geben, so dass man als Zuschauer im Blutrausch auch lachen kann, obwohl die Nähe zu realen und realistischen Machtkämpfen niemals in Zweifel steht. Dies ist wohl dann doch nur durch das Puppenspiel möglich und durch eine höchst intelligente Inszenierung und große Puppengestaltungs- und -spielkunst.