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„Lucia di Lammermoor“ im Opernhaus Magdeburg
Eine spannende Oper und wunderbarer Gesang


1835 wurde Donizettis dramma tragico „Lucia di Lammermoor“ in Neapel uraufgeführt. Es war bereits seine 46. Oper und doch noch einmal ein Wendepunkt für den Opernkomponisten, nach vielen komischen Opern ein Erfolg mit einer großen Tragödie. Sie zog das Publikum in ganz Europa in ihren Bann. Bis heute gehört sie zu den meistgespielten italienischen Opern, und die Partie der Lucia ist Herausforderung und Glanzpunkt für alle Koloratursopranistinnen.

Von Liane Bornholdt

Magdeburg.
„Lucia di Lammermoor“ ist nach der Vorlage des Romans „The Bridge of Lammermoor“ von Walter Scott die Geschichte einer Feindschaft. Die schottischen Familienclans der Ashton und Ravenswood sind seit Generationen verfeindet, aber Lucia Ashton liebt Edgardo, den letzten Ravenswood: Verbotene Liebe, Intrige, Wahnsinn, Tod.
Intendantin Karen Stone hat die Oper genau so inszeniert, dass kein Zweifel daran bleibt, wie sehr die Feindschaft beide Adelsfamilien ruiniert hat, und die Tragik des Geschehens unausweichlich macht. Aus dem Schottland Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Handlung zur Jahrhundertwende des 19./20. Jahrhunderts verlegt, in eine Zeit, in der, wenn auch in anderer Kostümierung, Verfeindungen ebenso sehr gepflegt wurden. Damit war der Rahmen deutlich, wenn auch nicht vordergründig. Karen Stone verzichtete in ihrer Inszenierung auf jede grelle Bebilderung und Hände ringenden Gefühlsausbruch. Auch die Bühne (Bühne und Kostüme: Ulrich Schulz) zeigt nur die Tristesse heruntergekommener Größe, weitläufige Ungemütlichkeit mit gelegentlichem Blick ins Wolken verhangene Draußen. Es ist immer genau soviel Bewegung auf der Bühne, dass zweifelsfrei klar wird, was geschieht, nicht mehr. Auch die sehr knappen deutschen Übertexte (Ulrike Schröder) beschränken sich aufs Notwendigste, und das war gut so. Im Mittelpunkt dieses Dramas steht die Musik, der Gesang vor allem, und den Sängern lässt diese Inszenierung jede Möglichkeit, sich völlig auf den Gesang und Gesangsausdruck zu konzentrieren, ohne, dass das Spiel etwa völlig verschwände und die Oper zum Rampensingen würde. Jede Bewegung ist wohl durchdacht und vor allem in kleinen Details genau und bühnenwirksam, dies vor allem nach der Pause mit der Wahnsinnsszene und Edgardos großem Schluss- und Todesgesang.
Die musikalische Leitung hatte GMD Kimbo Ishii-Eto, und er hat mit der Magdeburgischen Philharmonie großes Musiktheater gespielt. Bereits im Vorspiel treten die verschiedenen musikalischen Charaktere wunderbar plastisch hervor, Unheil verkündendes Dräuen, das auch im Pianissimo nicht völlig verhaucht, schauerliche Wahnsinnsakkorde und, einbrechend wie groteskes Puppenspiel, festfröhliche Melodienfreude – wunderbare Präzision, die rechte italienische Farbigkeit und dynamische Finesse bezaubern vom ersten Takt und erzeugen Spannung, die ohne Hänger bis zum Ende erhalten bleiben wird.
„Lucia di Lammermoor“, das weiß jeder Opernpraktiker, kann man nur dann aufführen, wenn man über eine dramatische Koloratursopranistin höchster Qualität verfügt. Hale Soner ist eine solche Sopranistin. Sie hat in dieser außerordentlich anspruchsvollen Partie nicht nur stimmlich alles gemeistert, sie hat auch eine wahrlich zu Herzen gehende Ausdrucksfähigkeit gezeigt und beherrscht den Belcanto. Bereits im großen Liebesduett des ersten Aktes fand sie sowohl dramatische als auch lyrisch-schwebende Töne, aber natürlich ist es die Wahnsinnsszene, die berührt, erschauern lässt und, ja, auch bezaubert. Hinreißend, wie Hale Soner auch in den höchsten Lagen Piano singen kann, wie sie in der großen Kadenz in Parallelführung zur Soloflöte die genaue Stimmfärbung findet und wie sie zwischen den Wahnvorstellungen diese Färbungen zu verändern vermag. Es hat langen und sehr verdienten Szenenbeifall gegeben.
Die zweite ganz große Partie ist die des Edgardo, mit der Iago Ramos ebenfalls glänzte. Von ihm wird vor allem die Schlussszene in Erinnerung bleiben, in der der Tenor alle Belcanto-Künste zeigte, wunderbare Verzierungen, Atem beraubendes Portamento und eben Schöngesang nach allen Regeln der Kunst.
Der Chor ist der dritte große Akteur dieser Oper, und auch hier stimmte alles. Martin Wagner hat die Sängerinnen und Sänger perfekt studiert, intonatorisch sauber, rhythmisch stets genau und vor allem ausdruckvoll und dynamisch.
Kartal Karagedik sang einen sehr überzeugenden Enrico, dessen Zornesausbrüche ebenso wie sein Schwanken in Mitgefühl und Trauer er in jedem Moment im Gesang nachfühlen ließ. Auch alle anderen hervorragend. Sehr schön der junge Tenor Ilja Werger, der die kurze Partie des Lord Arturo mit wunderbarem Timbre auch spielerisch hervorragend meisterte, und mit Manfred Wulfert als Normanno stand ein dritter, auch zum Belcanto-Gesang befähigter Tenor auf der Bühne. Schließlich war noch Martin-Jan Nijhof als Pater Raimondo zu erleben, und Regina Most als Zofe Alisia. Beide ebenfalls gut und vor allem in den vielen und großen Ensembleszenen sehr klangschön.
Diese „Lucia di Lammermoor“ ist zu einem der ganz großen Opernproduktionen des Magdeburger Theaters geworden.